Baumarten
Holz-Apfel, Wild-Apfel
(Malus sylvestris)
Wenn die meisten Menschen über "Apfelbäume“ sprechen, dann denken sie sicherlich an Äpfel in Gärten und Streuobstwiesen – also Vertreter des Kultur-Apfels (Malus pumila var. domestica). Viel weniger bekannt ist dessen einheimischer "kleine Bruder“, der Holz-Apfel (Malus sylvestris, übersetzt eigentlich: "Wald-Apfel“). Er kommt auf nahezu allen Böden vor. Er bevorzugt dabei aber frische bis schwach wechselfeuchte Böden, die nährstoff- und basenreich sind, aber oft kalkfrei. Außerdem kann er kurzfristige Überschwemmungen, z.B. in Auenwäldern, ertragen [7].
Der Holz- oder Wild-Apfel ist eher ein kleiner, oft mehrstämmiger Baum, oder auch ein großer Strauch. Bekannt sind Exemplare von bis zu 18 m Höhe und über 200 Jahren Alter [1, 7]. Die meisten bekannten Exemplare erreichen solche Werte sicherlich nicht. Dabei ist aber zu beachten, dass Holz-Äpfel über Austriebe aus zusammengebrochenen Stämmen über Jahrhunderte am selben Standort überdauern können [7]. Nur richten sich Altersschätzungen auch bei solchen Bäumen (und Sträuchern) immer nach dem jeweils lebenden Stamm, nicht nach dem Stock, dem sie entspringen.
Dass der Holz-Apfel beim Reden über Apfelbäume kaum "mitgedacht“ wird, hat auch mit seiner Seltenheit zu tun, obwohl sein Verbreitungsgebiet ganz Mitteleuropa umfasst, und bis weit nach Osteuropa und Vorderasien reicht [7]. Er gilt jedoch in seinem Bestand überall als stark gefährdet. Neben seiner geringen Konkurrenzkraft – als lichtbedürftiges Gehölz kann er in geschlossenen, dichten Laubwäldern kaum überleben – stellt auch die Einkreuzung (Introgression) durch den Kultur-Apfel eine große Gefährdung da. Denn die Nachkommen dieser Kreuzungen, die sich wiederum selbst vermehren können, verlieren allmählich die Merkmale des Holz-Apfels [7].
Während es schwierig sein kann, die Hybriden (Malus x dasyphyllum) immer von ihren Eltern abzugrenzen, kann der "echte“ Holz-Apfel bei genauem Hinschauen oft gut von Kulturapfel unterschieden werden. So sind Zweige viel dünner und feingliedriger als beim Kultur-Apfel. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal sind auch die nahezu kahlen Blätter (insbesondere die Unterseite!) und unbehaarten Blütenstiele und -Kelche sowie die höchstens rosa getönte, nie rote Außenseite der Blütenblätter [3, 6]. Besonders leicht ist die Unterscheidung nach Fruchtmerkmalen – sowohl nach Größe als auch Geschmack. Allerdings erscheinen die Früchte auch bei älteren Bäumen nicht in jedem Jahr.
Das Osterzgebirge stellt bundesweit heute eines der wichtigsten Refugien des Holz-Apfels dar, weil der Obstanbau aufgrund des rauen Klimas hier erst spät erfolgte und auch weniger in den höheren Lagen, wo der robustere Holz-Apfel noch überdauern konnte. Hier wächst er vor allem an Waldrändern und an Steinrücken, immerhin noch bis in 740 m ü. NN [4]. Kritisch ist aber auch hier die Situation des Nachwuchses: So können die kleinen Bäumchen weiterhin stark von anderen Gehölzarten bedrängt werden, und werden ohne Schutz häufig von Rehen und Hirschen abgefressen [7]. Aus ökologischer Sicht gehört der Holz-Apfel zu den wertvollen Wildobst-Arten. Seine Blüten sind eine wichtige Bienenweide, und die Früchte sind bei vielen Tierarten beliebt [7]. Das Spektrum der Nahrungs-Gäste wurde aber bisher – anders als beim Kultur-Apfel [5] – anscheinend nicht systematisch untersucht.
Hinsichtlich der Nutzung durch den Menschen galt der Holz-Apfel sogar lange als eine "vergessene“ Baumart [7]. Aber doch nicht ganz – bis heute werden die Früchte im Osterzgebirge getrocknet als Holzäppel-Tee gegen alle möglichen Gebrechen genutzt; sicher nachgewiesen ist z.B. eine fiebersenkende Wirkung [7]. Möglich ist auch die Nutzung für Gelee, Eis und Edelbrand [1]. Zum Frischverzehr sind die kleinen Äpfelchen jedoch viel zu herb. Eine forstliche bzw. Holz-Nutzung spielt beim Holz-Apfel bis heute keine große Rolle [7]. Wichtig ist jedoch das "Genreservoir“ des Holz-Apfels, denn er ist offenbar resistent gegenüber vielen Krankheiten, die vor allem modernen Apfel-Sorten das Leben schwer machen [1, 7]. So bleibt er wichtig für die Sorten- bzw. Resistenz-Züchtung.
Es gibt also viele gute Gründe, die Wild-Äpfel zu erhalten und insbesondere auch die älteren Bäume, obgleich sie nicht die Dimensionen von Eichen und Linden erreichen, als Baumdenkmale zu schützen. So werden nicht nur die Eigenheiten dieser seltenen, besonderen Baumart bewahrt, sondern auch die Eigenart der Natur des Osterzgebirges, das weiterhin auch ein Holzäppelgebirge bleiben soll!
Quellen:
[1] Grüne Liga Osterzgebirge 2011. Abschlussbericht zum Modell- und Demonstrationsvorhaben ‚Erhaltung von Malus sylvestris unter In-situ-Bedingungen im Osterzgebirge' – Dippoldiswalde: 120 S.
[2] https://ddg-web.de/rekordbaeume.html [Filter: alle Bundesländer, Malus sylvestris] – letzter Zugriff: 28.11.2023
[3] https://wildapfel.info/wildapfel-wissen/botanisches/ - letzter Zugriff: 28.11.2023
[4] Müller, F. 1998. Struktur und Dynamik von Flora und Vegetation (Gehölz-, Saum-, Moos-, und Flechtengesellschaften) auf Lesesteinwällen (Steinrücken) im Erzgebirge (Diss. Bot. 295). – Berlin, Stuttgart: 296 S. + Anh.
[5] Turček, F.J. 1961. Ökologische Beziehungen der Vögel und Gehölze. – Bratislava: 331 S.
[6] Wagner, I. 1996. Zusammenstellung morphologischer Merkmale und ihrer Ausprägung zur Unterscheidung von Wild- und Kulturformen des Apfels (Malus) und des Birnbaumes (Pyrus). – Mitteilungen der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft. 82: 87-108.
[7] Wagner, I. 2005. Malus sylvestris (L.) Mill., 1768. – Enzyklopädie der Holzgewächse III-2, 42. Erg.Lfg. 12/05: 1-16.