Baumarten
Kultur-Apfel
(Malus pumila var. domestica)
Kultur-Äpfel sind wahrscheinlich in Zentral-Asien entstanden, weitgehend ohne Beteiligung des europäischen Holz-Apfels [3], mit dem sie aber doch nahe verwandt sind. Die zahlreichen Apfelsorten werden durch Veredelung vermehrt, wobei kleine Triebe ("Edelreiser“) auf eine Wild-Unterlage übertragen werden. Auf die Weise werden einige Apfelsorten schon seit dem Mittelalter, in wenigen Fällen vielleicht schon seit der Antike, erhalten. Eine der ältesten deutschen (und sächsischen) Sorten, der Edel-Borsdorfer, ist immerhin schon seit 1175 urkundlich belegt [3]. Kulturäpfel finden sich immer noch in vielen Gärten oder auch als Streuobst in der freien Landschaft, ob nun als Streuobstwiesen oder längeren Alleen.
Je nach Eigenschaften der Unterlage wachsen Kultur-Äpfel als Hochstämme um 10 m Höhe, oder auch tief verzweigt bis strauchartig ("Heister“, "Spindeln“) [5]. Als wichtige Unterscheidungsmerkmale gegenüber den einheimischen Holz-Äpfeln – abgesehen von den Früchten – gelten die starke Behaarung der Blätter, insbesondere der Unterseite, wie auch die Behaarung der Kelchblätter und die starke Rosa- bis Rot-Tönung der Außenseite der Blütenblätter [8]. Auch ist die Verzweigung deutlich „gröber“ als bei den meisten Holz-Äpfeln.
Kultur-Äpfel bevorzugen weniger feuchte Böden als Holz-Äpfel [1]. Spätfröste können zu erheblichen Verlusten bei den Blüten und zu verminderten Fruchtansatz führen, der aber bei den meisten Sorten regelmäßiger als bei Holz-Äpfeln erfolgt (= geringere Alternanz) [3]. In den höheren Lagen des Osterzgebirges ist das Klima oft zu rau für Kultur-Äpfel, auch in tieferen Lagen dürfte die Auswahl der verwendbaren Sorten (noch?) eingeschränkt sein. Sehr große, alte Streuobstbestände mit Kultur-Äpfeln finden sich z.B. auf der Somsdorfer Hochebene oder – als die regional wohl am besten erhaltene Obstbaumallee – an der alten Eisenstraße zwischen Cunnersdorf und Schlottwitz.
Kultur-Äpfel gehören sicherlich nicht zu den langlebigen Baumarten (um die 100 Jahre; [6]) und wurden bei nachlassendem Ertrag früher schnell ersetzt. Dennoch sind für die Biodiversität in der Kulturlandschaft wertvoll [4]. Die Blüten werden von zahlreichen Insekten besucht, die Früchte sind begehrte Nahrung vieler Säugetiere und Vögel (über 19 Arten; [7]). Große Höhlen alter Apfelbäume sind unverzichtbar für höhlenbrütende Vögel (teils im Gefolge von Spechten) oder Bilche (Garten-, Siebenschläfer) und Fledermäuse. Auch viele Holzkäfer kommen an alten, zerfallenden Apfelbäumen vor [2]. So finden sich auch in Streuobstbeständen im Naturraum hier und dort Spuren und Nachweise "prominenter“, geschützter Arten wie Schwarzer Rosenkäfer oder Eremit (letzterer aber kaum in höheren Lagen).
Vom Natur- und Artenschutz einmal abgesehen, ist auch der kulturelle Wert hervorzuheben: Da wäre nicht nur die Bereicherung der Landschaft, gerade zur üppigen Blüte im Frühjahr, sondern auch die große Vielfalt insbesondere der alten Apfelsorten. Hier gibt es nicht nur Sorten für fast jeden Verwendungszweck: von jenen, die nur frisch oder als Mus verwertet können, bis jene, die über ein halbes Jahr im Keller liegen bleiben können. Einige sind gut zum Backen und Kochen geeignet, andere eher für Most. Das Geschmacksspektrum reicht von weinsäuerlichen und herben bis hin zu zuckersüßen Vertretern. Wer einmal die Geschmacks- und Verwendungsvielfalt der alten Apfel-Sorten schätzen gelernt hat, kann die billige „Einheitsware“ im Handel eigentlich nur liegen lassen. Sicherlich macht eine gute Obstbaumpflege einige Arbeit – aber sie lohnt sich!
Quellen:
[1] Ahl, L., Aas, G., Walentowski, H., Höltken, A.M. & Feulner, M. 2021. Niche differentiation between Malus sylvestris and its hybrid with Malus domestica indicated by plant community, soil and light. – Journal of Vegetation Science 32: e13078.
[2] Bußler, H. 1997. Die Besiedlung anthropogen geprägter Lebensräume durch xylobionte Käferarten am Beispiel fränkischer Streuobstbestände. – Ber. ANL 21: 179-187.
[3] Hartmann, W. 2019. Ulmers Taschenatlas Alte Obstsorten. 6. Aufl. – Stuttgart : 351 S.
[4] Hintermeier, H. & Hintermeier, M. 2017. Streuobstwiesen. Lebensraum für Tiere. 2. Aufl. – München: 216 S.
[5] https://www.krautundrueben.de/obstbaeume-verschiedene-wuchsformen-im-ueberblick-1244 – letzter Zugriff: 3.11.2023
[6] https://www.pflanzen-steckbriefe.de/baeume/apfelbaum-steckbrief – letzter Zugriff: 3.11.2023
[7] Turček, F.J. 1961. Ökologische Beziehungen der Vögel und Gehölze. – Bratislava: 331 S.
[8] Wagner, I. 1996. Zusammenstellung morphologischer Merkmale und ihrer Ausprägung zur Unterscheidung von Wild- und Kulturformen des Apfels (Malus) und des Birnbaumes (Pyrus). – Mitteilungen der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft. 82: 87-108.