Einzelbäume
Stiel-Eiche am Nordwestrand des Schlossparks Reichstädt
ART: Stiel-Eiche (Quercus robur) Mehr Informationen

Diese mächtigste uns bekannte Eiche des Osterzgebirges steht am Nordwest-Rand des alten Schlossparks Reichstädt. In Fortschreibung der letzten Aufnahme von Rudolf Schröder [6] mag man ihr Alter auf 385 (oder auch 400) Jahre schätzen können. Damit ist sie der älteste lebende Zeuge der langen Geschichte des Gutes und Schlossparks Reichstädt.
Sehr wahrscheinlich war sie schon vor der eigentlichen Park-Gründung vorhanden, vielleicht entstanden im Übergang zwischen jenen Bereichen, die eine historische Karte des 16. Jahrhunderts "Baumgarten“ und "Wiesenwachs im Haynn“ benennt [4]. Möglicherweise ist sie in einem halboffenen beweideten Hudewald aufgewachsen. Dafür spricht auch ihre sehr breite, aber dennoch hoch ansetzende Krone. Eine völlig freistehende Eiche hätte einen wesentlich kürzeren gedrungenen Stamm entwickelt. In einem dichten Waldbestand hätte sich die Krone wiederum viel weniger entfalten können [3] und hätte auch später kaum mehr an Breite zugelegt. Nach einer weiteren historischen Karte mag sie dann im 18. Jahrhundert Teil einer Baumreihe gewesen sein, die den Schlosspark gegen die benachbarten Äcker (heute Wiese) abgrenzte [4].
Wie ein altes Foto aus der Zeit um 1930 zeigt, stand der Baum damals noch völlig frei auf einer Rasenfläche [1]. Nach Enteignung der Schlossherren nach 1945 wurde das Schloss zu DDR-Zeiten u.a. als Jugendheim der „Pionierorganisation Ernst Thälmann“ genutzt, während der Park in weiten Bereichen der spontanen Vegetationsentwicklung (Sukzession) unterlag. Daher wachsen bis heute einige jüngere Bäume, vor allem Ahorne, in die Krone der Eiche ein. Zumindest wurde aber auch in einer Kartierung der 1970er Jahre noch die "alte Eiche“ deutlich herausgestellt [4]. Ihr Umfang hat auch über die letzten Jahrzehnte offenbar noch zugenommen; 1998 wurden 4,51 m Umfang gemessen, 2007 5,55 m [6,7], 2022 5,68 m. Inzwischen zeigt die Eiche mit zahlreichen abgestorbenen Ästen jedoch deutliche Anzeichnen nachlassender Vitalität, wohl auch eine Folge seitlicher Beschattung durch Nachbarbäume.
Ihr Wert als Lebensraum bzw. Habitatbaum ist jedoch sehr viel höher als der aller anderen Eichen im Schlosspark: Neben dünneren und dickerem Totholz zeigt der Baum viele weitere Mikrohabitate, darunter verschiedenste Höhlen, Splintverletzungen, Astabbrüche und auch größere Insektenlöcher. Außerdem erschienen am Stammfuß im Herbst (2022) mehrere mächtige Fruchtkörper des seltenen Klapperschwamms (Grifola frondosa), der bevorzugt an alten Eichen vorkommt und hier Weißfäule verursacht [2]. Andererseits bieten diese Fruchtkörper auch Lebensraum für verschiedene spezialisierte Käferarten [5]. Selbst wenn eine Baumkontrolle hier eine deutliche Minderung der Bruchsicherheit feststellen würde, sollte der beeindruckende und ökologisch enorm wertvolle Baum so lange wie möglich erhalten werden.
Quellen:
[1] https://www.deutschefotothek.de/documents/obj/72032041 – letzter Zugriff: 15.09.2022
[2] Laux, H.E. 2006. Der Kosmos Pilzatlas 2. Aufl. – Stuttgart: 303 S.
[3] Marx, U. & Dittrich, S. 2021. Von Hude-Eichen und Eichenbindern. – Söltjer 46: 59-66.
[4] Roscher, A. 2001. Schlosspark Reichstädt – ein Garten im Wandel der Zeiten. – Projektarbeit TU Dresden: 73 S. + Anh.
[5] Schigel, D. 2007. Fleshy fungi of the genera Armillaria, Pleurotus, and Grifola as habitats of Coleoptera. – Karstenia 47: 37-48.
[6] Schröder, R. 1998. Quercus robur. Dippoldiswalde, Gem. Reichstädt, Schlosspark Reichstädt. Aufnahme 17.12.1998. – Privatarchiv.
[7] Schröder, R. 2007. Quercus robur. Dippoldiswalde, Gem. Reichstädt. Schlosspark Reichstädt, Aufnahme 05.02.2007. – Karteikartensammlung zu besonderen Bäumen im Umkreis von Dresden, Privatarchiv (unveröffentlicht).
Informationen
Ort
Dippoldiswalde, Stadt
Reichstädt
Schutz
-
Patenbaum
ja
Basisdaten vom 17.10.2022
Umfang
5.68 m
Durchmesser
1.81 m
Höhe
35 m
Alter
385 Jahre
Zugang
frei