Einzelbäume
Ess-Kastanie im Forstbotanischen Garten (3)
ART: Ess-Kastanie (Castanea sativa) Mehr Informationen

Im Forstbotanischen Garten finden sich mehrere alte Esskastanien, von denen diese den mit Abstand den größten Umfang aufweist. Sie findet sich am Daschkewitsch-Weg etwas versteckt in einer Lichtung zwischen Nadelbäumen. Ihr Alter kann (2022) auf etwa 195 Jahre geschätzt werden [2]. Der Baum ist mit rund 20 m nicht sehr hoch, und zeigt eine Eichen-ähnliche, bizarre Wuchsform. Die Blätter sind deutlich kleiner als bei jüngeren Bäumen. Es werden immer noch zahlreiche Blütenstände gebildet und auch stachelige Früchte im Herbst. Diese enthalten mindestens einen großen und mehrere kleine, taube Samen.
Es handelt sich um den dicksten Baum im Forstbotanischen Garten, und in den botanischen Gärten der TU Dresden überhaupt. Aufgrund seiner Prominenz wurde er über die vergangenen Jahrzehnte immer wieder vermessen. Demnach betrug der Umfang 1981 4,5 m, 1985 4,55 m, 1989 und 1993 4,5 m, 2009 5,03 m, 2016 5,17 m [1,2,7]. Bei unserer eigenen Messung kamen wir (2022) dann wieder auf rund 5,1 m. Bei wohl kleinen Messfehlern kann daraus geschlossen werden, dass der Zuwachs des Baumes seit den 2000er Jahren merklich zurückgegangen ist und mittlerweile stagniert. Während die Vitalität des Baumes 1997 noch als "sehr gut“ eingestuft wurde [7], muss es danach recht schnell zu einer Zustands-Verschlechterung gekommen sein. So wurden bereits 1999 Wipfeldürre (also trockene Spitzen) und eine deutlich reduzierte Vitalität notiert [3].
Im Schatten der Krone wurden früher öfter Feste der im Garten Beschäftigten gefeiert. In den 1990er Jahren war hier auch noch ein Rastplatz mit Tisch vorhanden [3]. Wegen der wohl abnehmenden Bruchsicherheit ist dieser mittlerweile verschwunden. Stattdessen wurde ein bescheidenes Warnschild ("Zutritt verboten“) aufgestellt. Aber auch mit angemessenem Sicherheits-Abstand macht der Baum noch großen Eindruck.
Eine Vielzahl von Mikrohabitaten, darunter abgestorbene Äste diverse Spechthöhlen und eine große Asthöhle, unterstreicht das hohe Habitatpotenzial des Baumes. Das konnte 2022 auch durch faunistische Untersuchungen bestätigt werden [6]: Nachgewiesen wurden mindestens 10 Vogelarten, die sich im Baum als Gäste z.B. zur Nahrungssuche einfinden. Dazu gehört auch der Eichelhäher, der auch für die Verbreitung der Samen sorgt. Ein Staren-Paar nutzte 2022 eine der Spechthöhlen zum Nisten. Außerdem dient der Baum als Spechtschmiede: In den Furchen der Borke klemmen Buntspechte Fichtenzapfen, die sie in der Umgebung sammeln, zur Bearbeitung fest. Dort hacken sie die Samen heraus. Möglicherweise ist der Baum auch Fledermausquartier; im näheren Umkreis wurden fünf verschiedene Fledermausarten nachgewiesen, darunter die Mopsfledermaus [6].
Eine Erfassung holzbewohnender Käfer im Jahr 2022 wies 103 Holzkäfer-Arten nach, darunter auch einige in Sachsen sehr seltene oder seit langer Zeit nicht mehr nachgewiesene Arten [4]. Besonders bemerkenswert waren Nachweise mehrerer "Urwald-Reliktarten“, Käfer, die an besonders an alte und starke Bäume oder Totholz gebunden sind [5] – in diesem Fall aber offensichtlich nicht an eine naturnahe Waldumgebung. Damit wird der Wert dieses einzelnen alten Baumes umso deutlicher, auch fügen sich die Ergebnisse gut in andere Untersuchungen an Esskastanien ein [8].
Quellen:
[1] Bouffier, V.A. 2019. Historische und rezente Naturdenkmale, Baumgruppen und Alleen der Edel-Kastanie (Castanea sativa Mill.) – Baum des Jahres 2018 – in Deutschland. – Mitteilungen der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft 104: 65-84.
[2] Fröhlich, H.J. 1993. Wege zu alten Bäumen 11. Sachsen. – Frankfurt/M.: 200 S.
[3] Joos, A. 1999. Ausgewählte dendrochronologische Besonderheiten in und um Tharandt unter besonderer Berücksichtigung der phytopathogenen Pilze. Textbd. + Anh. – Diplomarb. TU Dresden: 208 S.
[4] Lorenz, J. 2023. Bericht über die an einer Ess-Kastanie erfasste Käferfauna im Forstbotanischen Garten Tharandt. – Naturschutzfachtl. Gutachten, Löthain: 15 S.
[5] Müller, J., Bußler, H., Bense, U., Brustel, H., Flechtner, G., Fowles, A., Kahlen, M., Möller, G., Mühle, H., Schmidl, J. & Zabransky, P. 2005. Urwaldrelikt-Arten – Xylobionte Käfer als Indikatoren für Strukturqualität und Habitattradition (Insecta, Coleoptera part.). – waldoekologie online 2: 106-113.
[6] Naturschutzinstitut Freiberg (NSI Freiberg) 2022. Erfassungen zur Nutzung von Baumdenkmalen im Osterzgebirge durch Vögel und Fledermäuse – Freiberg: 52 S.
[7] Rieckhoff, J. 1998. Der dickste Baum an der Universität. Bemerkenswerte Bäume in Botanischen Gärten der TUD (1): Eß-Kastanie. – Universitätsjournal 3/98: 5.
[8] Segatz, E. 2015. Beiträge der Edelkastanie zur Biodiversität. – Mitteilungen aus der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft Rheinland-Pfalz Nr. 74/15: 161-172.
Informationen
Ort
Tharandt, Stadt
Tharandt
Schutz
§ 21 SächsNatSchG
Patenbaum
nein
Basisdaten vom 03.03.2022
Umfang
5.05 m
Durchmesser
1.61 m
Höhe
20 m
Alter
195 Jahre
Zugang
frei