Die Feld-Ulme gilt eigentlich als Art der Hartholz-Auenwälder im Tiefland [9], im Bergland ist sie eigentlich nicht zuhause. Vermutlich handelt es sich bei dem Exemplar, das auf ca. 620 m üNN oberhalb von Kipsdorf wächst, um das höchstgelegene seiner Art im Erzgebirge.
Bereits Mitte der 1990er Jahre beantragte die Grüne Liga Osterzgebirge die Unterschutzstellung als Naturdenkmal. Dies wurde von der Landkreisbehörde damals nicht zur Bearbeitung angenommen, offensichtlich um den zeitgleich geplanten (und erfolgten) Ausbau samt Asphaltierung des daran vorbeiführenden Feldwegs zwischen Oberkipsdorf und Wegkreuzung Alte Böhmische Straße nicht zu behindern. Diese Wegkreuzung samt Rastplatz, knapp 50 m westlich des Baumes, wird historisch als "Heinrichsruhe“ bezeichnet [6]. Die Beeinträchtigung des Wurzelbereichs durch den Straßenbau hat die Feld-Ulme Oberkipsdorf dann doch erfreulich gut verkraftet und präsentiert sich nach wie vor als prächtiger, dichtkroniger Solitärbaum. 2014 erfolgte dann doch noch die Ausweisung als offizielles Naturdenkmal [3], auch wenn (Stand Frühjahr 2023) noch immer keine Beschilderung darauf hinweist.
Feld-Ulmen sind die am heftigsten vom "Ulmensterben" - einer eingeschleppten Pilzkrankheit - heimische Ulmenart [9]. Glücklicherweise wurde das Naturdenkmal noch nicht befallen (während die mächtigen Berg-Ulmen am Forstamt Bärenfels, nur etwas mehr als einen Kilometer Luftlinie entfernt, seit ca. 2010 komplett ausgefallen sind).
Bei den "Rekordbäumen" der Deutschen Dendrologischen Gesellschaft wird die Feld-Ulme Kipsdorf aktuell als drittstärkste Vertreterin ihrer Art in Sachsen gelistet [2]. Der dafür 2015 gemessene Brusthöhen-Umfang lag bei 2,45 m (etwas mehr als bei der Aufnahme für die ND-Ausweisung wenige Jahre zuvor). 2021 wurde der Umfang mit 2,80 m ermittelt. Wegen der vielen knolligen, krebsartigen Stammausformungen sind derartige Messungen an dem Baum mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Aber auch der Vergleich von Fotos legt fortgesetztes Dickenwachstum nahe. In der Höhe scheint mit 15 m das Maximum erreicht zu sein - mehr Energieaufwand muss der Baum hier nicht treiben. Zumal in der exponierten Lage immer wieder Rauheislasten zu kleineren und auch größeren Astabbrüchen führen.
Bei der Rekordbaum-Eintragung wird eine Entstehung dieser Ulme um 1910 postuliert. Dies erscheint einerseits plausibel. Beim Messtischblatt von 1881 sind noch keine Bäume am Weg verzeichnet. Auf den nachfolgenden Auflagen von 1912 und 1942 sollen einzelne wegbegleitende Punkte vermutlich Alleebepflanzung symbolisieren. Andererseits zeigen historische Fotos bereits größere Bäume an dem Weg, so 1913 ein Einzelbaum möglicherweise an gleicher Stelle wie die heutige Feld-Ulme [4], 1925 im Fernblick eine lückige Baumreihe [5]. Genaueres konnte zur Historie dieses sehr interessanten und ungewöhnlichen Baumes bislang leider nicht in Erfahrung gebracht werden.
Dafür wird aber durch den Besitzer des Grundstücks in vorbildlicher Weise für die Zukunft der Feld-Ulme hier gesorgt: der Baum hat einzelne Naturverjüngung hervorgebracht, die nun durch Einzelbaumschutz vor Wildverbiss geschützt wird. Mindestens ebenso wichtig indes ist der behutsame Umgang mit dem Naturdenkmal selbst. Jegliche weitere Ausbaumaßnahmen der Straße sind zu unterlassen. Auch sollte über geeignete Maßnahmen nachgedacht werden, den Stamm vor unbedachten Beschädigungen zu schützen, damit die Feld-Ulme Oberkipsdorf noch lange Naturfreunde [1] und Künstler [7] erfreuen kann.
(Immerhin gelten hier die Vorzüge des Höhenluftkurorts Kipsdorf: "Nervöse finden insbesondere wohltuende Ruhe, da rauschende Vergnügungen und zweifelhafte musikalische Genüsse mit großer Peinlichkeit ferngehalten werden.“ [8])
Quellen:
[1] Grüne Liga Osterzgebirge (Hrsg.), 2007. Naturkundliche Wanderziele. Band 3 Naturführer Ost-Erzgebirge. – Dresden: 748 S.
[2] https://ddg-web.de/rekordbaeume.html [Filter: Ulmus minor] – letzter Zugriff: 13.03.2023.
[3] https://osterzgebirge.org/nd-feld-ulme-oberkipsdorf/ – letzter Zugriff: 13.03.2023.
[4] https://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71837965 Brück und Sohn: Bärenfels. Schwesternheim „Waldesruh“, Oberkipsdorf, 1913 – letzter Zugriff: 13.03.2023.
[5] https://www.deutschefotothek.de/documents/obj/71844981 Brück und Sohn: Kipsdorf. Oberkipsdorf, 1925 – letzter Zugriff: 13.03.2023.
[6] https://www.deutschefotothek.de/documents/obj/90054797 Wanderkarte Umgebung Altenberg 1911 – letzter Zugriff: 13.03.2023.
[7] Papsch, D. 2011. Mein Freund, der Baum. Gesichter und Geschichten. - blaetterhaus-Verlag, Tharandt: 128 S.
[8] Porzig, R. 1907. Illustrierter Führer der Höhenluft-Kurorte Kipsdorf, Bärenfels und Bärenburg. - Verlag Max Holfert, Kipsdorf: 120 S.
[9] Schmidt, P.A. & Hecker, U. 2020. Die wildwachsenden und kultivierten Laub- und Nadelgehölze Mitteleuropas. – Wiebelsheim: 680 S.
Informationen
Ort
Altenberg, Stadt
Kipsdorf, Kurort
Schutz
ND
Patenbaum
nein
Basisdaten vom 20.11.2021
Umfang
2.80 m
Durchmesser
0.89 m
Höhe
15 m
Alter
113 Jahre
Zugang
frei